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FC VALENCIA – DAS SPANISCHE SCHALKE 04?

  1. Einleitung
  2. Transferpolitik und Kaderplanung – Unter Lim in den Ruin gespart?
  3. Spielanlage – Wende unter Bordalas?
  4. Valencia am Scheideweg – Lugo oder London

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1. Einleitung

Ein absoluter Topverein und beständiger Teilnehmer der UEFA Champions League, der kontinuierlich hoffnungsvolle Talente aus der eigenen Akademie in den Profifußball bringt und nach einigen Jahren im Mittelfeld der Tabelle in den Abstiegskampf rutscht. Die Rede ist dabei nicht von den Königsblauen aus Gelsenkirchen, die sich in der Saison 2020/2021 mit desolaten Leistungen in die 2. Liga verabschiedeten. Der FC Valencia aus dem Osten Spaniens läuft in Gefahr in eine ähnlich schlimme Situation zu geraten. Genau wie Schalke 04 hat der spanische Traditionsverein exorbitante Schulden angehäuft und eine Transferpolitik des Sparens, sowie Unbeständigkeit auf der Trainerposition waren ausschlaggebend für eine enttäuschende Saison, die auf Platz 13 beendet wurde. Nach expected Points wäre das Team um den bereits entlassenen Trainer Javi Gracia sogar noch deutlich näher an die Abstiegsränge gerutscht und nur auf Platz 16 gelandet. Die Blanquinegros stecken also in einer handfesten Krise und müssen aufpassen, nicht ein ähnliches Schicksal wie die Knappen zu erleiden, wie es CREATEFOOTBALL in einer Podcastfolge im vergangenen Sommer schon prognostizierte.

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2. Transferpolitik und Kaderplanung des FC Valencia – Unter Lim in den Ruin gespart?

Als der singapurische Unternehmer Peter Lim im Jahr 2014 den FC Valencia aufkauft, ist das Team zwar sportlich erfolgreich, Vorgänger Manuel Llorente hat aber massig Schulden angehäuft und hinterlässt zudem einen seit 2007 anhaltenden Stadionbau, für den das Geld fehlt. Der Neu-Besitzer ist vor allem darauf bedacht die bestehenden Schulden zu tilgen und so verlassen im vergangenen Sommer Offensivspieler Ferran Torres und Rodrigo das Team in Richtung England. Gleichzeitig werden mit Francis Coquelin und Dani Parejo zwei wichtige Stützen für wenig Geld an die direkte Konkurrenz aus Villarreal abgegeben. Stellte der FC Valencia bislang zumeist das teuerste Team der La Liga hinter den Topklubs aus Barcelona und Madrid, so sind seit der vergangenen Saison die Teams aus San Sebastian, Sevilla und Villareal noch wertvoller. Das liegt entscheidend daran, dass die Abgänge der Schlüsselspieler aufgrund finanzieller Limits nicht adäquat ersetzt werden – stattdessen versucht Valencia Spieler per Leihe zu verpflichten oder junge Spieler aus unterklassigen Ligen zu rekrutieren. In der Folge stellte der Verein in der abgelaufenen Saison das zweitjüngste Team der Liga, aber trotzdem das älteste Valencia-Team seit der Saison 2005/2006.

Die Neuzugänge waren in der abgelaufenen Saison zum großen Teil nicht in der Lage das Team nachhaltig zu prägen. Die Leihspieler Patrick Cutrone, Ferro und Cristian Olivia konnten den großen Erwartungen nicht gerecht werden und spielten nur eine Randrolle im Team der Fledermäuse. Einzig die jungen Hugo Guillamon und Yunus Musah, die von Valencia B aus der 3. Spanischen Liga kamen, schlugen voll ein und könnten wertvolle Stützen für die nächsten Jahre darstellen.

Da jedoch alle drei Leihspieler den Verein wieder verlassen, gleichzeitig die kostspieligen Verträge der Franzosen Eliaquim Mangala und Kevin Gameiro nicht verlängert wurden und zudem der Verbleib der Schlüsselspieler Maxi Gomez, Gabriel Paulista und Carlos Soler fraglich ist, steht der Verein auch in diesem Sommer vor der Herausforderung, ohne finanzielle Mittel eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen. Dafür sollen, wie CREATEFOOTBALL aus einer vereinsnahen Quelle erfuhr, ein Innenverteidiger, ein zentraler Mittelfeldspieler, zwei Flügelspieler und ein Stürmer verpflichtet werden – mit Matija Nastasic, Mehmet Aydin und Matthew Hoppe sind wohl auch drei Schalker Spieler im Gespräch, womit sich der Kreis schließen würde.

Der neue Trainer Jose Bordalas, der in Getafe einen besonders aggressiven und unansehnlichen Fußball hat spielen lassen, muss sich vor allem nach einem qualitativ hochwertigen Angreifer umsehen – momentan steht mit Maxi Gomez nur ein Stürmer mit Topformat im Kader. Dieser erfüllt mit einem wuchtigen Körper jedoch zumindest die Ansprüche von Übungsleiter „Pepe“, der vor allem auf lange Bälle als Stilmittel setzt und seine eigene Form des Kick and Rush entwickelt hat.

Aufgrund der finanziellen Situation erscheint es aber unrealistisch, dass potentielle Neuzugänge das Niveau des Teams soweit heben, dass ein Angriff auf die europäischen Plätze möglich wäre. Der FC Valencia muss wohl eher darauf hoffen, dass junge Talente aus der 2. Mannschaft den Sprung in La Liga schaffen. Talentierte und teure Nachwuchsspieler aus der eigenen Akademie waren bereits in den erfolgreichen frühen 2010er-Jahren das Erfolgsrezept des Vereins. Mit David Silva, Jordi Alba, Isco oder Paco Alcacer genossen schon viele spanische Toptalente ihre fußballerische Ausbildung bei den „Los Murciélagos“, bevor es sie in die weite Fußballwelt zog und sie ihrem Verein hohe Ablösen einbrachten. Der Abstieg der 2. Mannschaft aus der 3. Spanischen Liga und Gerüchte um einen nicht zeitgemäßen Zustand der Akademie lassen aber Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Talentschmiede aufkommen.

Die Sparpolitik und die weniger starke Besinnung auf europäische Toptalente wirkt sich besonders auf die unausgeglichene Besetzung des Kaders aus: Zu Amtsbeginn des Eigentümers aus Asien zählten noch namhafte Talente wie Joao Cancelo, Angel Gomes, Rodrigo de Paul oder Paco Alcacer, die sich heute im europäischen Spitzenfußball etabliert haben, zum Aufgebot des FC Valencias. Dem aktuellen Kader fehlt es hingegen (mit Ausnahme von Guillamon, Musah und Kangin Lee) an jungen, talentierten Offensivspielern, die in den kommenden Jahren höhere Ablösen generieren könnten. Die Verpflichtung der in die Jahre gekommenen und mit teuren Verträgen ausgestatteten Spieler, wie Mangala, Wass oder Cheryshev, die jeweils im Sommer 2019 nach Valencia kamen, passen nicht zum Sparkurs des Eigentümers, da sie kaum Wiederverkaufswert generieren und sportlich wenig Mehrwert bieten.

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3. Spielanlage – Wende unter Bordalas?

Traditionell legt der Verein von der Mittelmeerküste großen Wert auf ein erfolgreiches Umschaltspiel. Durchschnittlich nur 47.9 % Ballbesitz und der fünfthöchste PPDA-Wert (Passes per defensive action) der Liga machen deutlich, dass vorrangig auf Konter gesetzt wird (viertmeiste Abschlüsse der Liga nach Umschaltaktionen). Dazu passend agiert das Team meistens im 4-4-2-System und versucht über die schnellen Außen umzuschalten. Die ligaweit meisten Tore nach Flanken (+ die meisten nach Ecken) unterstreichen die Wichtigkeit der Flügelspieler Goncalo Guedes und Youngstar Yunus Musah. Mit Gaya (7 Assists) und Thierry Correia kann der neue Trainer Jose Bordalas zudem auf zwei offensivstarke Außenverteidiger zurückgreifen, die eben jene Flügel gemeinsam mit dem Außenspieler überladen und so Chancen kreieren.

Dagegen mangelt es dem FC Valencia an spielerischen Komponenten – eine Passquote von 79.4 % und sehr wenige Schüsse von innerhalb des Strafraums belegen die mangelnde Kreativität im eigenen Ballbesitz. Hier ist das Team zu abhängig von den Qualitäten Carlos Solers, der mit weitem Abstand die meisten Großchancen herausspielte und gleichzeitig 9 Scorer mehr sammeln konnte als jeder andere Valencianer. Sollte der 24-jährige Spanier den Verein im Sommer verlassen, droht eine schwer zu schließende Lücke im letzten Drittel.

Neben Soler liegen weiterhin viele Hoffnungen auf Goncalo Guedes. Der Portugiese, der derzeit bei der Europameisterschaft weilt, ist in seinen Aktionen (besonders im Torschuss) zu inkonstant, beeindruckte teamintern aber mit den meisten Dribblings und zweitmeisten Torschussvorlagen pro 90 Minuten. Insgesamt 10 direkte Torbeteiligungen (5 Tore + 5 Assists) belegen die Gefahr, die vom Flügelangreifer ausgeht.

Trotz der spielerischen Defizite und nur 41.89 expected Goals schossen die Blanquinegros immerhin 50 Tore – die Chancenverwertung des Sturms um Guedes und Maxi Gomez ist mit 30% die beste der Liga! Defensiv zeigte sich der Traditionsverein zuletzt jedoch äußerst anfällig: So lies das Team mit Abstand die meisten Schüsse pro Spiel in der Liga zu und wurde am dritthäufigsten überdribbelt. Die wenigsten Tackles (aggressive Zweikämpfe) pro Spiel und auffällig wenige Fouls zeigen, dass die Defensive um Abwehrchef Gabriel Paulista und Kapitän Gaya zu wenig Zugriff auf ihre Gegenspieler bekommt und die Schwachstelle des Teams darstellt. 53 Gegentreffer sind zu viel für ein Team mit Ambitionen auf die internationalen Wettbewerbe – 55.96 xGA zeigen jedoch, dass man bei schwächerer Torwartleistung auch noch mehr Tore hätte kassieren können. Auch insgesamt 12 Gegentreffer nach Standards liegen deutlich über dem La Liga Durchschnitt und stehen sinnbildlich für die defensive Anfälligkeit.

Spannend dürfte zu beobachten sein, wie sich die Installation des neuen Trainers Jose Bordalas auf die Spielanlage der Blanquinegros auswirkt. Der Spanier ließ beim FC Getafe einen sehr destruktiven und wenig dominanten Stil spielen, der das Team zwar über Jahre hinweg deutlich überperformen und bis in die Europa League einziehen ließ, aber besonders in 20/21 fast für den Abstieg der Hauptstädter verantwortlich war. Besonders auffällig waren die vielen Fouls der Azulones (15.5/Spiel; meiste der Liga), die zudem mit den meisten Karten der La Liga bestraft wurde – ganze 117 gelbe und 7 rote Karten sprechen für Aggressivität und Galligkeit! Eben jene Eigenschaften, die die von den Fans als „überbezahlte Söldner“ beschimpfte Truppe aus Valencia bisher nicht ansatzweise mitbrachte. Dies dürfte sich nun ändern. Zudem kam Getafe in der vergangenen Saison zu noch weniger Ballbesitz als Bordalas neues Team, der in der Regel mit langen Bällen (52/Spiel; zweitmeiste der Liga) operieren ließ, die die Angreifer Mata, Angel und Ünal festmachen sollten. All diese Werte zeigen klar auf, das der 57-jährige zwar mit bescheidenen Mitteln viel aus dem FC Getafe herausholen konnte, doch ebenso ist klar zu erkennen, dass die spielerischen Ideen nicht vorhanden sind und Valencia in der neuen Spielzeit nicht viele fußballerische Leckerbissen zu bieten haben dürfte.

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4. Valencia am Scheideweg: Lugo oder London

Der FC Valencia durchläuft eine Phase, die über die Zukunft des Clubs entscheiden dürfte. Das Schicksal des FC Schalke 04 oder weiterer Traditionsclubs verdeutlicht auf dramatische Weise, wie schnell kriselnde Topvereine durch schlechtes Management und falsche Entscheidungen von der großen Fußballbühne verschwinden können. Für den FC Valencia hieße das dann Auswärtsspiele in Lugo, Fuenlabrada oder Alcorcon in La Liga 2. Sollten im Sommer Maxi Gomez, Carlos Soler und Gonçalo Guedes abgegeben und nicht adäquat ersetzt werden, ist sogar dieses „worst-case-Szenario“ nicht undenkbar.

Schafft es der Verein jedoch Leistungsträger zu halten und sich wieder vermehrt auf die Arbeit mit hoffnungsvollen Talenten zu konzentrieren, so ist dem Verein eine baldige Rehabilitation von der momentanen Krise zuzutrauen. Der Kader ist weiterhin überdurchschnittlich gut besetzt und sollte den Talenten Guillamon, Musah und Lee der endgültige Durchbruch gelingen, dann könnte das Team sogar der Konkurrenz von Betis Sevilla, Real Sociedad, dem FC Villareal und Celta Vigo im Kampf um die internationalen Plätze Paroli bieten. Dafür muss der neue Trainer Jose Bordalas insbesondere die Defensive der Blanquinegros stärken und dem eigenen Spiel mehr Kreativität verleihen – der sehr abwartende Stil der letzten Jahre wird den Offensivqualitäten des Kaders nicht gerecht. Aufgrund des oben angesprochenen Spielstils in Getafe gehen wir jedoch von einer klassischen Fehlbesetzung der Trainerposition aus, die – typisch valencianisch – in einer schnellen Entlassung enden könnte.

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